Stefan O. J. Klein
Rechtsanwalt und Steuerberater Köln

Aktuelles
18.1.2025 | Abgeltungssteuer

Steuerliche Folgen der Amundi MSCI World ETF-Fusion – das sollten Sie wissen

Die kürzlich angekündigte Fusion des Amundi MSCI World V UCITS ETF (Luxemburg) mit dem Amundi MSCI World UCITS ETF (Irland) wirft bei vielen Anlegerinnen und Anlegern Fragen zur steuerlichen Behandlung auf. Grund hierfür ist insbesondere der grenzüberschreitende Charakter dieser Verschmelzung, der nach deutschem Recht mit einer fiktiven Veräußerung verbunden ist. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Abgeltungsteuer und kann bei unzureichender Vorbereitung zu unerwarteten Steuerzahlungen führen. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen umfassend darlegen, welche steuerlichen Folgen die Amundi MSCI World ETF-Fusion für deutsche Privatanleger hat, welche rechtliche Grundlage dafür besteht, was die Kernaussagen sind und mit welchen Handlungsempfehlungen Sie sich wappnen können, um unnötige Steuerlasten zu vermeiden. Abschließend bieten wir Ihnen einen FAQ-Bereich, in dem häufige Fragen kompakt beantwortet werden.

1. Sachverhalt – Hintergründe zur Amundi MSCI World ETF-Fusion

1.1. Warum kommt es zur Fondsfusion?

Der französische Vermögensverwalter Amundi hat sich entschlossen, bestimmte Fondsstrukturen zu vereinheitlichen und dadurch Skaleneffekte sowie betriebstechnische Vorteile zu nutzen. Konkret bedeutet dies, dass der in Luxemburg aufgelegte Amundi MSCI World V UCITS ETF (WKN: LYX0YD) in den irischen Amundi MSCI World UCITS ETF (WKN: ETF146) übergeht.

Hintergrund für viele Asset-Manager ist oft, dass Irland durch seine steuerliche Behandlung von US-Dividenden und eine insgesamt etablierte ETF-Infrastruktur als attraktiver Standort gilt. Somit können sich für Anleger langfristig auch Performance-Vorteile ergeben, weil weniger Quellensteuer auf US-Dividenden anfällt.

1.2. Der Fusionstermin und dessen Bedeutung

Die Fusion erfolgt an einem Stichtag (im konkreten Fall ist dies der 21. Februar 2025). An diesem Datum werden sämtliche Vermögensgegenstände des alten (luxemburgischen) Fonds in den neuen (irischen) Fonds übertragen. Für deutsche Anlegerinnen und Anleger wird dies in ihrem Depot als Ausbuchung der alten Anteile und Einbuchung der neuen Anteile dargestellt. Entscheidend ist, dass hierbei (steuerlich gesehen) ein Veräußerungsvorgang angenommen wird, obwohl wirtschaftlich lediglich ein Umtausch stattfindet.

1.3. Wer ist betroffen?

Betroffen sind sämtliche Privatanleger in Deutschland, die zum Verschmelzungszeitpunkt Anteile am Amundi MSCI World V UCITS ETF halten. Die depotführenden Banken und Broker werden den Vorgang automatisch umsetzen, sodass Sie als Anleger im Grunde nichts unternehmen müssten – außer sich darauf vorzubereiten, dass eventuelle Steuern anfallen.

2. Rechtslage – Warum ist die Fusion steuerpflichtig?

2.1. Relevante Vorschrift: § 23 Abs. 4 InvStG

Die maßgebliche Regelung für grenzüberschreitende Fusionen findet sich im deutschen Investmentsteuergesetz (InvStG), genauer in § 23 Abs. 4 InvStG. Dieser Paragraph legt fest, dass eine Verschmelzung von Investmentfonds aus unterschiedlichen Staaten (z. B. Luxemburg → Irland) nicht steuerneutral behandelt werden kann. Im Gegensatz dazu bestehen bei inländischen Fusionen (innerhalb Deutschlands) oder rein EU-domizilierten Fusionen (ohne Wechsel in eine andere Steuerjurisdiktion) gewisse Möglichkeiten zur Steuerneutralität.

2.2. Fiktive Veräußerung – Bedeutung für den Anleger

Eine fiktive Veräußerung bedeutet, dass Ihre bis dato gehaltenen Anteile am alten Fonds (Luxemburg) per Gesetz so behandelt werden, als hätten Sie sie verkauft – mit dem Effekt, dass etwaige Kursgewinne (oder Kursverluste) realisiert werden. Gleichzeitig werden die neuen Anteile (Irland) fiktiv neu angeschafft. Somit erhalten die neuen Anteile auch neue Anschaffungskosten, die in der Regel dem Börsen- oder Nettoinventarwert am Tag der Fusion entsprechen.

2.3. Abgeltungsteuer, Teilfreistellung und Verlustverrechnung

Anfallende Kursgewinne unterliegen grundsätzlich der Abgeltungsteuer (25% zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer). Da es sich allerdings um einen Aktienfonds handelt, kommt eine Teilfreistellung von 30% zur Anwendung. Nur 70% des realisierten Gewinns sind damit steuerpflichtig.

Gleichzeitig werden Gewinne zunächst mit Verlustverrechnungstöpfen verrechnet. Wenn ein Freistellungsauftrag (Sparer-Pauschbetrag) hinterlegt ist und noch Freivolumen besteht, wird ebenfalls ein Teil der Erträge abgedeckt sein. Erst nach der Anrechnung dieser beiden Positionen greift die Abgeltungsteuer.

2.4. Weitere steuerliche Aspekte

  • Neuer Einstandswert: Für die Zukunft wird der NAV der neuen Fondsanteile als Anschaffungskosten herangezogen.
  • Zukunftige Veräußerungen: Etwaige künftige Kursgewinne werden somit erst ab diesem neuen Einstandskurs berechnet.
  • Fondsstatus: Der neue (irische) Fonds ist ebenfalls als Aktienfonds klassifiziert und weist eine ähnliche, wenn nicht sogar identische Anlagestrategie** (MSCI World) auf.

3. Kernaussagen – Das müssen Sie wissen

3.1. Es ist kein steuerneutraler Vorgang

Die grenzüberschreitende Fusion führt unweigerlich zu einer fiktiven Veräußerung. Anleger können sich in diesem Fall nicht auf eine steuerneutrale Verschmelzung berufen. Das unterscheidet sich etwa von Fusionen, die innerhalb desselben Domizils (z. B. Deutschland nach Deutschland) stattfinden.

3.2. Abgeltungsteuer wird ausgelöst

Soweit Gewinne vorliegen und nicht durch Verluste oder den Freistellungsauftrag kompensiert werden, behalten die Depotbanken automatisch Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer ein. Nach der Fusionsbuchung könnte daher eine Steuerabbuchung vom Verrechnungskonto erfolgen.

3.3. Teilfreistellung von 30%

Glücklicherweise ist der luxemburgische Fonds ein Aktienfonds i. S. d. InvStG, sodass nur 70% des realisierten Gewinns tatsächlich steuerpflichtig sind. Dieser Mechanismus verringert die effektive Steuerbelastung.

3.4. Neue steuerliche Anschaffungskosten

Nach der Fusion gelten die neuen Anteile des irischen Fonds als neu angeschafft zum Kurs am Verschmelzungsstichtag. Künftige Gewinne/Verluste werden somit erst ab diesem Zeitpunkt berechnet, was langfristige Strategien beeinflussen kann.

3.5. Chance auf optimiertes Quellensteuerniveau

Obwohl die Fusion kurzfristig eine Besteuerung auslöst, könnte der Übergang zu einem irischen Fonds bei US-Dividenden langfristig Vorteile bringen. In Irland domizilierte ETFs profitieren in der Regel von günstigeren Quellensteuer-Regelungen als solche in Luxemburg, was sich positiv auf die Performance auswirken kann.

4. Handlungsempfehlungen – So reagieren Sie richtig

4.1. Prüfen Sie Ihre individuelle Steuersituation

Bevor Sie irgendwelche Schritte unternehmen, sollten Sie Ihren Steuerstatus analysieren:

  • Haben Sie Verlusttöpfe, die groß genug sind, um Gewinne zu neutralisieren?
  • Ist Ihr Freistellungsauftrag ausgeschöpft oder steht noch ein Restbetrag zur Verfügung?

Wenn Sie bspw. größere Verlustvorträge haben, kann das die steuerliche Belastung für die Fusion erheblich senken.

4.2. Vorab-Verkauf oder Abwarten?

Eine grundlegende Frage lautet: Soll ich die Anteile vor dem Fusionstermin verkaufen oder einfach die Fusion abwarten?

  • Vorab-Verkauf: Sie können aktiv die Anteile selbst verkaufen und ggf. danach in den neuen Fonds investieren. Rein steuerlich ist das Ergebnis in den meisten Fällen identisch: Es fällt Kapitalertragsteuer auf den Kursgewinn an (abzüglich Teilfreistellung und Freibetrag). Ein Vorteil wäre lediglich, dass Sie den Verkaufszeitpunkt selbst steuern und beispielsweise in einer Börsenphase verkaufen, die Ihnen ggf. günstiger erscheint.
  • Abwarten: Wenn Sie langfristig investiert bleiben möchten und von der Wertentwicklung des MSCI World überzeugt sind, können Sie die Fusion einfach geschehen lassen. Die Abwicklung erfolgt automatisch, und Ihre Depotbank zieht eventuelle Steuern ein. Grundsätzlich ist dies der bequemste Weg, sofern Sie liquide sind, um die Steuerschuld zu begleichen.

4.3. Deckung des Verrechnungskontos sicherstellen

Achten Sie darauf, dass auf Ihrem Verrechnungskonto zum Fusionstermin ausreichend Guthaben vorhanden ist, um eine mögliche Steuerabbuchung vorzunehmen. Wenn das Konto nicht genügend Deckung aufweist, kann dies zu Rücklastschriften oder Zwischenfinanzierungen führen.

4.4. Optimale Nutzung des Freistellungsauftrags

Sollten Sie noch freien Sparer-Pauschbetrag haben (1.000 Euro bei Einzelpersonen, 2.000 Euro bei zusammenveranlagten Ehepaaren), wird dieser automatisch auf die Veräußerungsgewinne angerechnet. Prüfen Sie daher frühzeitig, ob Sie Ihren Freistellungsauftrag gegebenenfalls anpassen wollen, beispielsweise wenn Sie mit weiteren Kapitalerträgen in diesem Jahr rechnen.

4.5. Verlustverrechnung strategisch einsetzen

Falls Sie andere Wertpapiere im Depot haben, die im Minus liegen und die Sie ohnehin verkaufen möchten, könnte es sinnvoll sein, diese Verluste noch vor oder zeitnah zur Fusion zu realisieren. Die daraus resultierenden Verluste werden in Ihrem Verlustverrechnungstopf verbucht und können den aus der ETF-Fusion entstehenden Gewinn mindern. So lässt sich die Steuerlast reduzieren.

4.6. Langfristiges Anlageziel im Blick behalten

Trotz des Steuerabzugs zum Fusionszeitpunkt sollten Sie Ihr langfristiges Anlagekonzept nicht aus den Augen verlieren. Die Fusion ändert die Anlagestrategie (MSCI World) nicht wesentlich, und der neue Fonds bleibt eine solide Basis für ein weltweit gestreutes Aktieninvestment.


5. FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Amundi MSCI World ETF-Fusion

5.1. Warum löst eine grenzüberschreitende ETF-Fusion überhaupt Steuern aus?
Laut § 23 Abs. 4 InvStG können Fondsverschmelzungen zwischen verschiedenen Staaten (Luxemburg → Irland) nicht als steuerneutral behandelt werden. Dadurch wird ein fiktiver Verkauf ausgelöst, bei dem Kursgewinne nach deutschem Recht zu besteuern sind.


5.2. Muss ich als Anleger selbst etwas tun, um die Fusion im Depot durchzuführen?
In der Regel nicht. Ihre depotführende Bank wickelt die Fusion automatisch ab. Sie sehen dann einen entsprechenden Buchungsvorgang (Ausbuchung der alten, Einbuchung der neuen Anteile). Ggfs. bucht die Bank auch Kapitalertragsteuer ab, falls sich ein steuerpflichtiger Gewinn ergibt.


5.3. Gibt es eine Möglichkeit, die steuerliche Auswirkung zu vermeiden?
Vollständig vermeiden lässt sich die Versteuerung nicht, da das Gesetz hier keinen Ausweg vorsieht. Allerdings können Sie die Belastung über Verlustverrechnungstöpfe und den Freistellungsauftrag mindern. Wenn Sie die Anteile vorab verkaufen, lösen Sie damit denselben Steuermechanismus aus wie bei der Fusion selbst.


5.4. Was bedeutet die Teilfreistellung bei einem Aktienfonds?
Bei einem als Aktienfonds klassifizierten ETF können 30% des Gewinns steuerfrei vereinnahmt werden. Das heißt, nur 70% des Gewinns werden der Abgeltungsteuer unterworfen. Diese Regelung gilt, weil der Fonds mindestens 51% (nach neuem Recht teils 60% oder 80% je nach Kategorie) seines Vermögens in Aktien investiert. Für den alten Amundi MSCI World V UCITS ETF bzw. den neuen Amundi MSCI World UCITS ETF trifft dies zu.


5.5. Was passiert mit meinen alten Anschaffungsdaten und dem Kaufpreis?
Die Anschaffungsdaten der alten ETF-Anteile verlieren ihre steuerliche Relevanz, da die Fusion als Veräußerung betrachtet wird. Als neue Anschaffungskosten für den irischen ETF wird der Fondspreis am Verschmelzungsstichtag zugrunde gelegt. Ihre Haltefrist startet somit steuerlich neu – relevant ist das insbesondere für potenzielle künftige Kursgewinne.


5.6. Was ist, wenn ich einen Teil meiner Anteile vor der Fusion verkaufe und nur den Rest umtauschen lasse?
In dem Fall realisieren Sie sofort Steuern für den verkauften Anteil. Für den Rest greift am Fusionsstichtag erneut die fiktive Veräußerung. Damit können Sie jedoch unter Umständen Ihre Verlusttöpfe besser steuern oder bestimmte Freibeträge nutzen. Es empfiehlt sich eine Einzelfallprüfung, ggf. mit Ihrem Steuerberater.


5.7. Wann genau ist der Stichtag und worauf muss ich zeitlich achten?
Der Stichtag wird in den offiziellen Fusionsunterlagen definiert (beispielsweise 21. Februar 2025). Häufig ist einige Tage davor ein sogenannter Cut-Off für Käufe und Verkäufe im Primärmarkt. Wer über den Sekundärmarkt handelt (klassische Börsengeschäfte), kann in der Regel bis kurz vor dem Stichtag ganz normal kaufen oder verkaufen, muss jedoch die üblichen Marktspreads beachten.


5.8. Hat die Fusion Auswirkungen auf die Kostenstruktur oder die Anlagestrategie?
Laut Amundi bleiben die TER (Total Expense Ratio) und die Anlagestrategie (MSCI World, physische Replikation, thesaurierend) im Wesentlichen gleich. Langfristig kann die irische Domizilierung sogar vorteilhafter sein, weil eventuelle Quellensteuer-Effizienzen bei US-Dividenden genutzt werden können.


5.9. Kann man die Fusion rückgängig machen oder die alten Anteile behalten?
Nein, eine Fondsfusion dieser Art ist verbindlich für sämtliche Anteilseigner. Sie können nur im Vorfeld entscheiden, selbst zu verkaufen oder die Anteile in den neuen Fonds übertragen zu lassen.


5.10. Lohnt sich eine persönliche steuerliche Beratung?
Die Entscheidung, ob Sie vorab verkaufen oder die Fusion einfach über sich ergehen lassen, hängt von Ihrer Steuersituation (Verluste, Freibeträge, Liquidität etc.) und Ihrer Anlagestrategie ab. In komplexeren Fällen empfiehlt sich daher ein Gespräch mit einem Steuerberater, um z. B. die optimale Reihenfolge von Verkäufen oder Verlustrealisierungen zu planen.


Fazit

Die Fusion des Amundi MSCI World V UCITS ETF in den Amundi MSCI World UCITS ETF ist aus Sicht deutscher Privatanleger steuerlich nicht neutral und führt somit zu einer fiktiven Veräußerung aller gehaltenen Anteile. Entstehende Kursgewinne werden – nach Verlustverrechnung und Anrechnung des Freistellungsauftrags – der Abgeltungsteuer unterzogen, wobei allerdings eine Teilfreistellung von 30% greift. Nach der Fusion gelten die ETF-Anteile des neuen (irischen) Fonds als neu angeschafft, wodurch sich der Einstandskurs und die Haltefrist steuerlich neu definieren.

Um unnötige Steuerzahlungen zu vermeiden, ist es ratsam, die individuelle Steuersituation zu prüfen. Dabei können sowohl die Freistellungsauftrags-Gestaltung als auch die Verlusttopf-Strategie eine wichtige Rolle spielen. Wer größere Verluste realisieren kann, kann damit womöglich den durch die Fusion ausgelösten Gewinn steuerlich kompensieren. Ansonsten gibt es keine Möglichkeit, den steuerlichen Effekt dieser Fusion völlig zu umgehen, da er gesetzlich vorgeschrieben ist.


Alle Beiträge sind nach bestem Wissen erstellt. Eine Haftung für den Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.