Stefan O. J. Klein
Rechtsanwalt und Steuerberater Köln

Aktuelles
16.9.2025 | Lohnsteuer

Firmenfitness & Lohnsteuer: OFD NRW 03/2025 verständlich erklärt

Worum geht’s – und warum ist das für Unternehmen in NRW (und darüber hinaus) wichtig?

Immer mehr Arbeitgeber bieten ihren Teams den Zugang zu Firmenfitness-Programmen wie Urban Sports Club, Hansefit, EGYM Wellpass oder Gympass an. Das Modell ist attraktiv: eine Zugangsberechtigung zu vielen Sport- und Gesundheitsangeboten über einen zentralen Anbieter. Steuerlich stellt sich dabei seit Jahren die Frage: Handelt es sich um Arbeitslohn? Und wenn ja, wie wird der geldwerte Vorteil bewertet und auf die Mitarbeiter verteilt?

Die OFD Nordrhein-Westfalen hat mit Kurzinformation vom 11.03.2025 (S 2334-14-2025-3806) zentrale Leitplanken gesetzt. Kurz gefasst: Dem Grunde nach liegt Arbeitslohn von dritter Seite vor, und bei fehlendem „üblichen Endpreis“ lässt sich die Bewertung auf Kostenbasis (inkl. USt und Nebenkosten) vornehmen. Außerdem präzisiert die Verfügung Aufteilungs-, Verteilungs- und Zurechnungsregeln für laufende und einmalige Kosten. Diese Klarstellungen sind praxisrelevant für die Lohnabrechnung, die Nutzung der 50-€-Sachbezugsfreigrenze und die Überprüfung von Anrufungsauskünften (§ 42e EStG) – mit unmittelbaren Auswirkungen auf Payroll-Prozesse, Dokumentation und Compliance.

Der Rechtsrahmen: § 8 EStG, „Arbeitslohn von dritter Seite“ & Sachbezugsbewertung

§ 8 EStG und der „übliche Endpreis“

Sachbezüge sind grundsätzlich mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort abzüglich üblicher Preisnachlässe anzusetzen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). „Üblicher Endpreis“ ist der Preis, den Letztverbraucher im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich zahlen – also nicht ein rechnerischer Mischpreis, sondern das marktübliche Preisniveau für identische oder gleichartige Leistungen. Der BFH (Urteil vom 07.07.2020, VI R 14/18) hat hervorgehoben: Gibt es keinen Endverbrauchermarkt (etwa weil das Angebot nur Firmenkunden vorbehalten ist), kann ausnahmsweise die Kostenbasis des Arbeitgebers als Bewertungsmaßstab dienen.

Praktische Erleichterung: Die Lohnsteuer-Hinweise erkennen an, dass bei Bewertung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG aus Vereinfachungsgründen 96 % des Endpreises angesetzt werden können. Das ist kein Muss, aber ein anerkannter Vereinfachungsansatz.

Arbeitslohn von dritter Seite

Leistungen, die Dritte aufgrund des Dienstverhältnisses an Arbeitnehmer erbringen (z. B. Preisvorteile, Zugangsrechte), gelten grundsätzlich als Arbeitslohn, sofern sie Frucht der Arbeit sind und nicht ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Dritten im Vordergrund steht. Diese Linie zieht Gesetz, Verwaltung und Rechtsprechung seit Jahren konsistent.

Geldleistung vs. Sachbezug, 50-€-Freigrenze

Das BMF-Schreiben vom 15.03.2022 differenziert fein zwischen Geldleistungen und Sachbezügen (u. a. bei Gutscheinen/Karten) und konkretisiert die 50-€-Sachbezugsfreigrenze. Wichtig: Die Freigrenze greift nur für echte Sachbezüge und nur zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn. Bei Gehaltsumwandlungen scheidet die Begünstigung aus.

Was präzisiert die OFD NRW 03/2025 konkret? (Firmenfitness Lohnsteuer – die Kernaussagen)

1) Dem Grunde nach: Arbeitslohn von dritter Seite

Die Vorteile aus Firmenfitness gelten grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn sie infolge des Arbeitsverhältnisses gewährt werden. Das deckt sich mit der allgemeinen Linie zu Arbeitslohn von dritter Seite. (OFD NRW 11.03.2025; allgemeine Rechtsgrundsätze vgl. oben.)

2) Bewertung: „Üblicher Endpreis“ – oder Kostenansatz

  • Regelfall: Bewertung mit dem üblichen Endpreis für vergleichbare Endkundenangebote am Markt – nicht als Summe kumulierter Mitgliedsbeiträge mehrerer Studios.
  • Kein Marktvergleich möglich: Wenn eine Firmenmitgliedschaft ausschließlich arbeitgeberbezogen (nur für Firmenkunden oder Gruppen, nicht für Privatkunden zu gleichen Bedingungen) angeboten wird, fehlt ein üblicher Endpreis. Dann ist es nicht zu beanstanden, den Sachbezug mit den tatsächlichen Arbeitgeberkosten (inkl. USt und Nebenkosten) zu bewerten – in Anlehnung an BFH VI R 14/18.

Folge: Auch Kostenbestandteile, die bei einer reinen Endpreis-Methode ggf. wegen überwiegenden eigenbetrieblichen Interesses unberücksichtigt geblieben wären, fließen im Kostenansatz mit ein. Das schafft Transparenz und reduziert Streitpotenzial bei Misch- und Paketpreisen.

3) Aufteilung & Verteilung (laufende und einmalige Kosten)

  • Laufende Kosten:
    • Direkt zuordenbar → dem jeweiligen Arbeitnehmer zuzurechnen.
    • Nicht direkt zuordenbar (aber registrierte Nutzer) → gleichmäßig auf registrierte Arbeitnehmer verteilen.
    • Unabhängig von der Anzahl registrierter AN (z. B. Pauschale für „bis zu X Nutzer“) → auf alle Arbeitnehmer verteilen, die teilnehmen könnten (Teilnahmeberechtigte).
    • Monatliche Prüfung: Arbeitgeber müssen monatlich prüfen, ob sich die Anzahl registrierter Arbeitnehmer ändert und die Verteilung anzupassen ist.
  • Einmalige Kosten:
    • Für einen bestimmten Zeitraum gezahlt → gleichmäßig über die Laufzeit verteilen.
    • Ohne festen Zeitraum → über Mindestlaufzeit/fristgemäße Kündigungsfrist verteilen.
    • Danach auf Arbeitnehmer verteilen (wie oben bei laufenden Kosten).
    • Bei einmaligen Pauschalen unabhängig von registrierten AN kann aus Vereinfachungsgründen auf die Anzahl der Teilnahmeberechtigten zum Vertragsabschluss (oder vertraglich definiertem Stichtag) abgestellt werden, auch wenn sich später die Zahl verändert.
  • Zurechnung: Ein geldwerter Vorteil entsteht nur für Arbeitnehmer, die das Angebot aktiv angenommen haben (Registrierung ausreichend; die tatsächliche Nutzung einzelner Leistungen ist unerheblich).

Diese Mechanik ist abrechnungstauglich: Sie knüpft an vertragliche Parameter (Preislogik, Mindestlaufzeiten, Kündigungsfenster, Nutzerdefinitionen) und an den Status „registriert“ vs. „teilnahmeberechtigt“ an – und verlangt laufende Aktualisierung.

4) Praxis-Hinweis: Anrufungsauskünfte (§ 42e EStG) überprüfen

Die OFD weist darauf hin, dass frühere Anrufungsauskünfte zur lohnsteuerlichen Behandlung von Firmenfitness ggf. anzupassen sind – mit Wirkung für die Zukunft. Arbeitgebern ist eine Umstellungsfrist einzuräumen, um Payroll-Dispositionen im Vertrauen auf die alte Auskunft rückgängig zu machen. Neue Auskünfte sind entsprechend der OFD-Linie zu erteilen.

Was bedeutet das für die Praxis? (Firmenfitness sachbezug bewertung – Checkliste)

Vertrags- & Angebotsanalyse (Urban Sports Club, Hansefit & Co.)

  • Ist das Angebot Endkunden zugänglich? Falls nein oder nicht zu vergleichbaren Konditionen, spricht viel für den Kostenansatz statt Marktpreisbewertung. Dokumentieren! (BFH VI R 14/18).
  • Preislogik verstehen: Pauschalen, Mindestlaufzeit, Kündigungsfristen, Nutzerobergrenzen, Einmal- vs. laufende Bestandteile.
  • Teilnehmerkreise definieren: Teilnahmeberechtigte vs. registrierte Nutzer.

Payroll-Setup & monatliche Routinen

  • Verteilungsregeln technisch abbilden (Registrierungsstatus als steuerrelevantes Merkmal in HR/Payroll).
  • Monatliche Aktualisierung der registrierten Nutzer und Neu-Berechnung der anteiligen laufenden Kosten.
  • Einmalige Kosten zeitanteilig über die Laufzeit verteilen und dann zuordnen.

50-€-Sachbezugsfreigrenze richtig nutzen

  • Prüfen, ob Sachbezug vorliegt (keine Geldleistung) und „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt wird. Nur dann Freigrenze nutzbar.
  • Kosten pro registriertem Nutzer auf Monatsbasis ermitteln. ≤ 50 €? Dann ggf. steuerfrei (Freigrenze, kein Freibetrag).
  • Gehaltsumwandlungen sind ausgeschlossen; außerdem sind bestimmte Karten/Gutscheine nur unter engen Voraussetzungen Sachbezug (BMF 15.03.2022).

Abgrenzung: Gesundheitsförderung (§ 3 Nr. 34 EStG) vs. Firmenfitness

  • Firmenfitness-Flatrates sind nicht automatisch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung mit Jahresfreibetrag; es braucht zertifizierte Maßnahmen nach den sozialrechtlichen Vorgaben. Pauschale Multi-Angebote erfüllen diese Anforderungen oft nicht. Ergebnis: Regelmäßig Sachbezug, ggf. 50-€-Freigrenzekein pauschaler § 3 Nr. 34-Freibetrag.

Dokumentation & Anrufungsauskunft

  • Leistungsbeschreibung, Verträge, Preisbestandteile, Stichtage dokumentieren.
  • Bewertungsweg sauber begründen: Marktpreis (mit Vergleichsangebot) oder Kostenansatz (warum kein Marktpreis ermittelbar?).
  • Bestehende Anrufungsauskünfte prüfen und ggf. umstellen; neue Auskünfte stringent an der OFD-Linie ausrichten.

Häufige Fehler – und wie man sie vermeidet

Fehler 1: „Kumulierte Studiopreise“ als Vergleich

Die Addition von Einzelstudio-Tarifen ist kein zulässiger Marktvergleich. Vergleichspreis ist der tatsächlich für ein vergleichbares Endkundenprodukt gezahlte Preis – oder Kostenbasis, wenn ein solcher Endkundenmarkt fehlt.

Fehler 2: Nutzung ohne Registrierung als „Null“

Die Zurechnung knüpft an die Annahme des Angebots (Registrierung), nicht an die tatsächliche Nutzung. Wer registriert ist, kann einen geldwerten Vorteil haben – selbst wenn er das Studio in einem Monat nicht besucht.

Fehler 3: 50-€-Freigrenze trotz Gehaltsumwandlung

Sachbezugsfreigrenze greift nur bei zusätzlicher Gewährung. Gehaltsverzicht/-umwandlung sperrt die Begünstigung.

Fehler 4: Ignorieren von Einmal- und Nebenkosten

Setup-/Onboarding-Gebühren, Mindestvertragskosten oder Plattformpauschalen gehören in die Bewertung (bei Kostenansatz: voll, inkl. USt). Die zeitliche Verteilung (über Laufzeit/Kündigungsfrist) und anschließende Zuordnung ist verpflichtend.

Bewertung und Einordnung: Was bringt die OFD-Verfügung 03/2025?

  1. Rechtssicherheit: Die Verfügung schafft praktikable Bewertungs- und Verteilregeln für ein marktunübliches Produkt (Firmenflatrate statt Einzelstudio-Tarif).
  2. Abrechnungstauglichkeit: Durch klare Anknüpfungen (registriert vs. berechtigt; laufend vs. einmalig) wird die Payroll-Automatisierung leichter.
  3. Compliance-Anstoß: Die Aufforderung, Anrufungsauskünfte auf den Prüfstand zu stellen, ist eine Chance, Nachforderungen zu vermeiden und Prozesse zu modernisieren.
  4. Planbarkeit: Mit Kostenansatz (falls kein Endpreis) ist die 50-€-Freigrenze zwar nicht „leichter“ erreichbar, aber transparenter kalkulierbar.
  5. Abgrenzungen bleiben wichtig: BGF-Freibetrag (§ 3 Nr. 34 EStG) vs. Sachbezug, Geldleistung vs. Sachbezug, Zusätzlichkeitskriterium – all das entscheidet über Steuerfreiheit vs. Lohnsteuerpflicht.

Fazit – unsere Empfehlung (auch für „Steuerberater Köln“ & NRW-Unternehmen)

Für Arbeitgeber in NRW – und bundesweit – ist die OFD NRW 03/2025 ein willkommener Praxis-Leitfaden. Unternehmen mit Firmenfitness-Programmen sollten jetzt:

  • Verträge & Preislogik analysieren (Endkundenmarkt ja/nein; Kostenbestandteile),
  • Payroll-Verteilmechanik einführen (registriert vs. berechtigt; monatliche Updates),
  • 50-€-Freigrenze korrekt prüfen (Sachbezug? Zusätzlich? Monatsbetrachtung),
  • Anrufungsauskünfte überprüfen und ggf. prospektiv anpassen,
  • Dokumentation stärken (Vergleichspreise oder Kostenansatz, Stichtage, Nutzerstatus).

So lassen sich Nachforderungen vermeiden und Mitarbeiterbenefits steuerlich sicher gestalten – ohne die Attraktivität von Urban Sports Club, Hansefit, Wellpass & Co. zu verlieren.


FAQ (Kurz & praxisnah)

Greift die 50-€-Sachbezugsfreigrenze bei Firmenfitness?
Nur bei echtem Sachbezug und zusätzlicher Gewährung; Gehaltsumwandlungen sind ausgeschlossen. Maßgeblich ist der monatliche Wert je registrierter Person.

Wie bewerte ich, wenn es kein vergleichbares Endkundenangebot gibt?
Dann ist Kostenansatz (inkl. USt und Nebenkosten) zulässig – in Anlehnung an BFH VI R 14/18 und die OFD-Verfügung.

Wer hat überhaupt einen geldwerten Vorteil?
Nur Arbeitnehmer, die das Angebot annehmen (Registration). Ob und wie oft sie trainieren, ist unerheblich.

Muss ich monatlich neu rechnen?
Ja, wenn sich die Zahl der registrierten Nutzer ändert. Laufende Kosten sind dann neu aufzuteilen.


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